Amber Sadoor | Oktober Zweitausendsechs
Quelle: www.dertrickser.de
und wenn die welt
zusammenfällt
sind wir die freien wilden
die auf den trümmern tanzen
"rotte die horden zusammen!" – der traum verfolgte ihn bis zu seinem schreibtisch. tag für tag tat er, was er tun mußte, doch mit jedem tag kam ihm der sinn dafür zunehmend abhanden. wie plastisch dagegen die bilder der letzten nacht vor seinem auge standen! brennende straßenzüge, abgeknickte hochhäuser, fortgeschwemmte autokolonnen.
"rotte die horden zusammen!" er rief zuerst bei seinem arzt an. sie kannten sich seit der schulzeit und wenn sie sich in letzter zeit trafen, sahen sie sich tief in die augen und ihre stimmen wurden leiser. danach seine eltern. seine kollegen von seinem praktikum bei cisco. er wußte, daß die zeit nahte, zu der er eine entscheidung treffen mußte.
was ich an guten büchern und filmen mag? daß sie fragmente liefern. einzelne bilder, puzzlesteinchen. futter für das hirn, den großen, einzig wahren künstler, der aus puzzlesteinchen ganze bilder macht.
"woher weißt du, daß ich gern einzelteile zu einem ganzen zusammensetze?"
"tun wir das nicht alle gern?"
der bote hatte ihr einen briefumschlag gebracht, einen dreieckigen brief. aufgerissen offenbarte er drei haselnüsse für das aschenbrödel und ein zerrissenes blatt papier. aus heutiger sicht sieht die szene anders aus, als ich sie damals sah. als hätte jemand das licht verändert oder der kameramann die einstellung angepaßt. aber was bedeutet das schon, vorbei ist vorbei.
das leben, das wir alle führen, so bedeutungslos. und zugleich so entscheidend für den lauf unserer welt. ein jeder ein zahnrad, ob sie nun friseurlehrling ist oder beamter, mutter oder chipingenieur, psychopath oder diktator. weil jeder seine rolle spielt, spielt sich vor unseren augen genau jenes theaterstück ab, das wir (oft genug bedauernd) realität nennen. und morgen springt ein jeder in die kiste. dieses leben ist ein rührstück bedeutungsloser marionetten. vorhang zu! der chef entläßt den kameramann.
die tiere sind unruhig. sie warten auf einen moment, von dem sie wissen, daß er kommt, aber nicht, was er mit ihnen macht. "wir leben im netz" sagte der admin. er hatte angst gehabt, sich das vorzustellen, damals, vor jahren. aber nun, wo es begann, ihm bewußt zu werden bemerkte er, wie gewöhnlich es geworden war. war es gut? war es schlecht? leben im netz – gefangen darin oder teil von ihm? wie du schon richtig bemerkt hast: das problem ist die entscheidung.
sie gehörte zu der generation, die nie ganz in den rahmen paßte. ihre zukunft schien vorbestimmt und doch erfüllte sie ein latentes unbehagen. man empfahl ihren eltern ein stimulans, welches die störungen zurückdrängte. es ähnelte kokain, aber dies blieb ungesagt. und auf den gedanken, daß nicht die kinder, sondern die eltern die eigentlichen probleme hatten, kamen nur wenige.
sie hatte das benzin an der tankstelle neben dem mcdonalds gekauft. niemand störte sich daran, daß sie es direkt in die zwei bierflaschen füllte, die sie zuvor an derselben tankstelle gekauft und sofort ausgetrunken hatte. sie kaufte eine packung taschentücher, papers und drum excellent sowie zwei feuerzeuge. und als sie vor dem gebäude stand, dessen werbeplakate das moderne perpetuum mobile versprachen, wußte sie, daß sie das richtige tat.