Konrad Lehmann | April Zweitausendfünf
Quelle: www.dertrickser.de
Warst Du ein Mensch, damals? Du hättest es verneint. Du hättest die Frage als Beleidigung aufgefasst, und hättest mit gebleckten Zähnen und gekrümmten Krallen Deine Erwiderung gefaucht. Ein Mensch? Das musste ein schwächliches Tier sein. Du - warst eine Katzerin.
Eine Katzerin ist ein stolzes und einsames Tier. Sie streift durch die Savanne, mit nichts als einem Steinmesser und einem Wasserschlauch aus der Haut eines Karnicklers, und jagt. Ihresgleichen meidet sie. Nur zur Paarungszeit wählt sie sich einen Katzer, vor dem sie einige Male auf alle Viere sinkt. Sie sieht ihn nie wieder. Ihr Kind lehrt sie das Schleichen, das Klettern und das Töten. Sie verlässt es, noch bevor es ausgewachsen ist.
Eine Katzerin fürchtet nicht viel. Aber als Du damals die Spuren des Hundiger-Rudels entdecktest, fasstest Du unwillkürlich Dein Steinmesser fester. Hundiger jagen auch Katzer. Und sie lassen ihre Brutalität und ihre Lust an ihnen aus, bevor sie sie zerreißen. Oft haben sie dazu nicht einmal Steinmesser. Du erkanntest, dass die Spuren frisch waren, von einem Rudel in geordneter Bewegung, und nirgendwo Blut. Sie waren auf der Jagd. Du schätztest Ihre Richtung ab, und liefst in die Gegenrichtung.
Kurz fiel ein Schatten vor die Sonne. Ein Adlerer zog seine Kreise am Himmel. Er war keine Gefahr für Dich. Nicht nur, dass Adlerer selten andere Raubtiere jagen. Sie schlagen ihre Beute auch ungern in der Ebene, bedeutet das doch, nicht nur die Beute, sondern auch ihr Fluggerät zu ihrem Horst in den Felsen zurückzuschleppen. Für eine kurze Weile beobachtetest Du seinen Flug, sein müheloses Schweben in einsamer Höhe, in die er sich emporschraubte. Er war Dir ähnlich, nicht wahr? Kam für einen Augenblick der Gedanke in Dir auf - der unmögliche Wunsch -, Du könntest sein wie er? Ein Karnickler, ein Unpaarer, ein Hundiger, sie hätten Dich nie dazu bringen können, jene Grenzen infrage zu stellen, die Du für selbstverständlich hieltest. Sie waren anders als Du, ganz und gar anders. Selbst Deine geheimsten Wünsche hätten keine verborgenen Verbindungen zu ihnen finden können. Aber der Adlerer? Verwirrte er Deine Gefühle?
Der Unpaare tat es sicherlich nicht, der mit geschwellter Brust und prallem Gemächt die Herde seiner hochbeinigen Weibchen umkreiste, die mit ausgestelltem Hintern im kniehohen Gras daherstakten. Als er Dich erblickte, kam er ein paar federnde Schritte auf Dich zu und stellte sich in Positur. Erst, als Du das Messer hobst und fauchtest, erkannte er, dass Du nicht seinesgleichen warst. Eitel die lange Haarmähne zurückwerfend, wandte er sich ab und behütete weiter seinen Harem. Nein, der konnte Dich nicht erschüttern. Wenn Dich irgendetwas wunderte, dann allein, dass diese Tiere, die Dir äußerlich so ähnlich waren, von Gras und Kräutern leben können. Ich gestehe Dir, dass ich es auch nicht verstehe.
Die Sonne färbte sich golden. Die Schatten der Schirmakazien wurden länger und zeichneten blaue Muster auf das blassgelbe Gras der Savanne. Als Du Dich noch einmal umblicktest, sahst Du, dass die Unpaaren sich allmählich zur Ruhe legten. Es wurde Zeit für eine Abendmahlzeit. Der Mausler, von dem Du die Tage zuvor gelebt hattest, war bis auf die Knochen abgenagt. Du musstest wieder jagen. In der Abenddämmerung würden die Karnickler aus ihren Höhlen kommen. Du kanntest die kleine Anhöhe, in der viele von ihnen wohnten. Deine Flucht vor den Hundigern hatte Dich in diese Richtung geführt; es war nicht mehr weit. Du nahmst einen Schluck aus Deinem Schlauch und liefst mit neuem Schwung los.
Näherkommend, begannst Du zu schleichen. Du erkanntest die Fruchtbäume, deren Fallobst die Karnickler aufsammeln. Die Tamarinden, deren Schoten sie knabbern. Tatsächlich ein guter Platz für Karnickler. Und als Du Dich von Baum zu Baum heranschlichst, entdecktest Du einen, einen Jungen noch ohne Haare an Brust und Geschlecht, der mit hüpfenden Schritten von Frucht zu Frucht lief, mit emporgezogener Oberlippe und aufgerissenen Augen sicherte, in die Hocke ging und schmatzend die Früchte fraß. Dich entdeckte er, als es zu spät war, als Du hinter dem Baum hervorsprangst und auf ihn zu saustest, leicht geduckt, das Messer erhoben. Er schrie und rannte, und Du ließest ihm einen kleinen Vorsprung, bis ein Erdloch in Sicht kam und Du ihn mit zwei Sprüngen einholtest. Der Knauf Deines Messers fuhr ihm in die Rippen und warf ihn um; er rappelte sich auf und rannte in anderer Richtung weiter. Wieder hetztest Du ihn ein bisschen, ehe ein Messerhieb in den Oberschenkel ihn stoppte. Hinkend raffte er sich erneut auf. Dich überkam ein grimmiges Lachen. Ihr Fleisch schmeckte süßer, wenn man sie vorher ein wenig zappeln ließ. Und dieser hier hielt lange durch.
Dann jedoch, als ihn ein neuer Hieb in den Unterleib herumriss, ließ er sich fallen und faltete die Hände. "Bitte, tu mir nichts", flehte er im zischenden Karnicklerdialekt. "Bitte. Ich bin doch ein Mensch wie Du!"
Für einen Augenblick stocktest Du, das Messer erhoben, während die Sonne rot hinter den Akazien stand. Dann fauchtest Du: "Bist Du nicht!", während Dein Messer ihm die Kehle zerriss. Wenn sie erst einmal so kamen, machte das Spiel keinen Spaß mehr.
Als am nächsten Morgen eine gleißende Sonne aufging, hingst Du den ausgeweideten Kadaver des Karnicklers in einen Baum und setztest Deinen Streifzug fort. Du brauchtest Wasser, und es galt weiterhin, dem Hundigerrudel auszuweichen. In der Nähe eines Wäldchens entdecktest Du Spuren. Es war nur ein Paar Füße, und auch, als Du der Spur ein wenig folgtest, kamen keine weiteren dazu. Jemand anderer war alleine unterwegs, ein Männchen, soweit Du erkennen konntest. Ob es der Katzer war, der hier in der Gegend sein Territorium hatte, und von dem Du Dich, in Ermangelung eines Besseren, bald wohl würdest begatten lassen? Du schlichst den Spuren nach; sie waren noch frisch.
So fandest Du mich. Ich hatte meinen Gürtel auf der nackten Haut, an dem ich allerlei Beutel und Gerätschaften trug, und einen geflochtenen Sack an meinem Stab über der Schulter. Auch ich war auf dem Weg zum Wasser, aber unterwegs sammelte ich Obst, Nüsse und Würmer für die nächste Mahlzeit. Du beobachtetest mich lange. Ich bemerkte Dich erst nach einer Weile, und wohl nur, weil Du Deine Deckung unwillkürlich allmählich aufgabst. Was hast Du gedacht in dieser Zeit? Du konntest mich nicht einordnen. Ich sammelte Früchte wie ein Karnickler, aber ich war alleine, breitschultrig und gut ausgerüstet. Das erinnerte Dich an einen Adlerer, aber ich hatte kein Fluggerät, und kein Adlerer äße jemals Nüsse. Ich konnte auch kein Hundiger oder Unpaarer sein, kein Rüssler oder Horner, kein Fuchsler oder Froscher. Du hattest meinesgleichen noch nie gesehen. Dachtest Du.
"Komm heraus", sagte ich, nachdem ich Dich bemerkt und Deine Neugier erkannt hatte. "Wir werden einander nichts antun." Misstrauisch tratst Du aus Deinem Versteck, jederzeit bereit, wie gejagt davonzupreschen. "Komm herbei", wiederholte ich. "Du bist eine Katzerin, nicht wahr? Dann bin ich nicht Deine Beute, und Du nicht die meine. Außerdem siehst Du satt aus, und ich werde zum Frühstück diese Früchte verzehren."
Du kamst so nah heran, dass ich Dich hätte berühren können, aber hätte ich eine unbedachte Bewegung gemacht, hätte ich Dich nie wieder gesehen. Du mustertest mich von oben bis unten. Zuletzt erblicktest Du das Tongefäß an meinem Gürtel, aus dem feiner Rauch aufstieg. "Was ist das?" wolltest Du wissen. "Feuer", antwortete ich leichthin. Du verstandest mich nicht.
"Willst Du mich begleiten?" fragte ich. Du schautest mich mit schmalen Augen an. "Was bist Du?" kam es von Dir wie ein skeptisches Miauen. Du hattest kaum ausgeredet, da straffte sich Dein Körper, und Dein Kopf fuhr herum. Auch ich hörte es: Das unbeherrschte Rufen und Johlen eines Hundigerrudels auf der Hetzjagd. Sie kamen von hangaufwärts und waren nicht mehr sehr weit. Aber ich beantwortete erst Deine Frage. "Ein Mensch", sagte ich. Du schürztest verächtlich die Lippen. "Erzähl denen, dass Du ein Mensch bist", fauchtest Du. Dann fingst Du an zu rennen. Ich folgte Dir.
Sie trieben uns zum Fluss hinab, der sich breit und schlammig und voller Inseln quer über unseren Fluchtweg wälzte. Krokos trieben im Strom, das gebogene Rohr im Mund, ein fettes Potamerweibchen mit Kind suhlte sich auf einer Insel im Schlamm. Ein Wäldchen befand sich wenige hundert Schritt flussaufwärts, aber dorthin würden sie uns nicht kommen lassen. Ich schloss zu Dir auf. "Folge mir!" rief ich und hielt auf einen Seitenarm des Flusses zu, der eine große, flache, grasbestandene Insel abtrennte.
Der Seitenarm war kaum knietief und fünf Schritt breit; im Nu waren wir darüber hinweg. "Was tust Du?" schriest Du und wolltest umdrehen. "Du hast uns in eine Falle geführt!" Ich packte Dich am Arm. "Komm mit!" Und zog Dich an die Flussseite der Insel. Meinen Tragesack warf ich auf eine Schlammbank. Die Hundiger kamen in breiter Phalanx grölend und brüllend herangestürmt, nur noch hundert Schritt trennten sie vom Ufer. Ich kniete nieder, riss ein wenig Gras aus und schüttete glühende Kohlen darauf. Das Heu brannte sofort, und ich blies die Flammen aus Leibeskräften an. Du wichst zurück in das schlammige Ufer; Feuer fürchtetest Du genauso wie die Hundiger.
Als die Hundiger den Nebenarm überquerten, hatte das Feuer sich verselbständigt. Eine breite Wand fraß sich wie eine Gegenphalanx auf die Hundiger zu. Es war nur Heu, aber für den Augenblick loderte es hoch auf, knisterte und fauchte drohend wie ein Buschfeuer. Die Hundiger schraken zurück, und ihr Gejohle verwirrte sich zu einem ängstlichen, enttäuschten, wütenden Jaulen und Keifen. Einige sprangen unbeherrscht vor, scheinbar entschlossen, ihre Beute zu erreichen. Aber sobald sie sich die Füße verbrannten und beißenden Rauch einatmeten, verkniffen sie sich sogleich mit hohem Winseln. Die hintersten wandten sich schon zum Gehen. Es wurde höchste Zeit, denn die Insel war nicht breit, und bald würde das Strohfeuer abgebrannt sein. Glücklicherweise hatten die Hundiger zuviel Angst vor dem Feuer, um auf die Idee zu kommen, darauf zu warten. Enttäuscht knurrend suchten sie das Weite.
Wir hatten im knietiefen Wasser gestanden und ihren Rückzug gespannt verfolgt. Da warnte mich ein Plätschern im letzten Augenblick. Ich fuhr herum und sah den Kroko, der sich auf die Beine aufrichtete, in jeder Hand ein ellenlanges Messer. Du warst wie erstarrt. Vor der Kraft der Krokos hatte Deine Mutter Dich schon gewarnt. Sie waren schnell und leise, stießen ihrem Opfer die Messer in den Leib und zerrten es unter Wasser, wo es ersoff. Sie flößten Dir Angst ein, die Dich wehrlos machte. Wie jedes andere Tier hattest Du gelernt, dass man gegen Krokos nicht kämpfen kann.
Er hatte es auf mich abgesehen. Mit erhobenen Messern sprang er auf mich zu. Seine kurzen Arme waren muskelbepackt, seinen kräftiger Körper überzog verkrusteter Schlamm, aus dem Augen und Zähne wild und weiß blitzten. Ich ließ ihn rankommen, dann stieß ich ihm meinen Stab in die Magengrube. Als er zusammenklappte, einen fassungslosen Blick verpuffter Angriffslust in den Augen, zog ich ihm den Stab über den Schädel. Bewusstlos trieb er davon.
Ich holte meinen Beutel von der Schlammbank und sammelte mit spitzen Fingern Kohlestückchen in mein Gefäß. Du sahst mir stumm zu. "Also bist Du doch ein Horner?" fragtest Du, und ich glaubte, Bedauern zu hören. "Nein", widersprach ich. "Ich sagte doch, ich bin ein Mensch."
Ich merkte, dass Du mit der Auskunft nicht mehr anfangen konntest als mit meiner Erwähnung des Feuers. Aber Du bliebst bei mir. Wir rasteten am Nachmittag, und zum Abendessen holten wir uns eine Keule des Karnicklers, den Du geschlagen hattest. Du wolltest Deine Zähne in das rohe Fleisch schlagen, aber ich hatte Holz zusammengetragen. "Warte", sagte ich und entfachte ein Feuer. Du zogst Dich zurück und warst drauf und dran zu fliehen. Während die Sonne unterging und Du mit angezogenen Beinen in zehn Schritt Entfernung saßest, briet ich langsam die Keule über dem Feuer. "Du verdirbst es", klagtest Du einmal leise. "Du wirst es mögen", war meine Antwort.
Du mochtest es, nachdem Du Dich an die brennende Hitze des Fleischs gewöhnt hattest. Schweigend aßen wir. Danach holte ich die Hängematte aus meinem Beutel, spannte sie zwischen zwei Akazien und legte mich schlafen. Du dagegen wurdest unruhig. Du sprangst auf, liefst ein paar Schritte hin und her und wittertest in die Dunkelheit. Schließlich maunztest Du nur etwas wie "Bis später" und verschwandst mit großen Sprüngen in der Dunkelheit. Ich rechnete damit, Dich nie wieder zu sehen.
Aber als ich am nächsten Morgen unter einem grauen Himmel erwachte, fand ich Dich zusammengerollt am Boden beim Feuer. Du erwachtest, als ich mich aus der Hängematte schwang. Wir wechselten nicht viele Worte, während wir jedes für sich frühstückten und die Sachen packten. Aber bei allem, was ich tat, folgte mir Dein unergründlicher Blick aus grünen, halbgeschlossenen Augen.
Es war diesig und schwül an dem Tag. Wir machten unseren Weg den Fluss hinab. Du zeigtest mir gute Jagdstellen und Spuren, die ich nicht bemerkt hätte. Ich ließ Dich Früchte und Nüsse probieren. Wir begegneten wenigen anderen Tieren. Die drückende Hitze lähmte alle Tätigkeit, die Krokos trieben faul im kühlenden Wasser, die Potamer suhlten sich im Schlamm, Froscher hockten in sumpfigen Tümpeln und rührten sich nicht. Auch Du legtest Dich mittags schlafen, während ich meine Vorräte auffüllte. Dann zogen wir in Stille weiter.
Am Nachmittag kam endlich das Gewitter. Donner grollte von fern über die Steppe. Wolkenberge türmten sich rasch auf, und von irgendwoher wehte plötzlich ein kühler, feuchter Wind. Wir hatten damit gerechnet und uns bereits vom Ufer entfernt, dorthin, wo die Akazien dichter standen. Nun suchte ich rasch einige am Boden liegende Äste auf und stellte sie an einen geneigten Stamm. Wieder begleitete mich Dein Blick, der alles aufnahm, ohne je zu fragen. Als ich einige frische Zweige vom Baum brauchte, um den Unterstand zu bedecken, bat ich Dich, mir zu helfen. Mühelos und so, als bewegtest Du Dich auf festem Boden, erklommst Du den Baum und schnittest das Grün schneller herab, als ich es je gekonnt hätte. Aber als der Unterstand fertig war und die ersten dicken Tropfen fielen, wusstest Du offensichtlich noch immer nicht, wozu er gut sein sollte.
Ich bat Dich herein, und Du kauertest Dich neben mir in den engen Raum. So nah warst Du mir noch nicht gekommen. Ich roch den Duft von Staub, Schweiß und Wärme, der Deinem langen Haar entströmte. Die meisten Tiere stinken. Dein Duft dagegen war gepflegt und angenehm. Der feuchte Wind, der die Regentropfen gegen unseren Unterstand trieb, trug ihn gut und gab ihm Fülle. Ich atmete tief ein.
Du hobst den Kopf und blicktest mich unmittelbar an. Draußen prasselte der Gewitterguss schwer auf den Savannenboden. Rings um uns und über unseren Köpfen, im löchrigen Gestrüpp des Schutzdaches, war ein mächtiges Rauschen, das die Welt hinwegzuspülen schien. Dann flammte ein Blitz auf, fast im selben Herzschlag gefolgt von einem dröhnenden Donnerschlag. In der plötzlichen Helligkeit sah ich, wie Dein Körper sich spannte und Dein Kopf hochruckte. Ohne zu denken, legte ich Dir begütigend die Hand auf den Arm. Im nächsten Augenblick verfluchte ich meine Geste aus Sorge, sie würde Dich vertreiben. Du bliebst wie erstarrt, während ich nicht zu atmen wagte. Dann, mit einem Mal, entspanntest Du Dich. Wieder suchte Dein Blick meine Augen.
"Du bist ein Mensch, sagst Du? Was ist das, ein Mensch?"
"Ich weiß es nicht."
"Wie kannst Du es dann sein?"
Du sprachst sanft, fast zu leise vor dem prasselnden Regen, vor dem Sausen des Windes, der an Ästen der Akazie rüttelte und sich im Gezweig des Unterstands verfing. Wieder folgten Blitz und Donner dicht aufeinander, aber Dein forschender Blick zitterte keinen Moment. Ich hielt ihm stand und fragte zurück:
"Weißt Du, was ein Katzer ist?"
"Jemand wie meine Mutter", erwidertest Du nach einigem Nachdenken. "War Deine Mutter eine Menschin?"
"Nein", gab ich zu. "Ich bin der erste Mensch."
"Wie kannst Du das sein?"
Nun senkte ich den Blick. Donner grollte in der Ferne; ich hatte keinen Blitz bemerkt.
"Ich weiß es nicht. Aber ich will es so. Und ich werde es herausfinden."
Ich bemerkte, dass Dein Blick weiterhin auf mir ruhte.
"Sammelst Du deswegen Früchte und Würmer?" wolltest Du wissen.
"Ja. Ich mag kein Tier töten, denn ich frage mich, ob nicht auch ein Karnickler ein Mensch ist."
Selbst im Halbdunkel erkannte ich den Zug von Verachtung um Deinen Mund. "Ich glaube nicht", sagtest Du hart. Dann schwiegst Du, und endlich, unter dem andauernden, jetzt wohltuend beruhigenden Rauschen des Regens, schlugst Du die Augen nieder.
"Ich glaube", ergriffst Du nach einiger Zeit wieder das Wort, "es würde mir schwer fallen, das Jagen zu lassen."
Irgendwann während des Gesprächs hatte ich die Hand sinken lassen, die auf Deinem Arm gelegen hatte. Jetzt hob ich sie wieder, und als ich mit Fingerspitzen Deine Schulter berührte, kamst Du mir entgegen und schmiegtest Dich an mich. Der Regen rauschte, bis sein Klang heller und dünner wurde, und endlich nur die schweren Tropfen von den Zweigen der Akazie platschten. Da ergriff ich eine Ecke des Unterstands und warf ihn mit einem Ruck über uns fort. Die späte Sonne strahlte den letzten Nieselregen an und zog goldene Schwaden aus dem Gras, die sich gen Sonnenuntergang in einem silbrigen Dunst verloren. Wir nahmen unsere Sachen und gingen gemeinsam davon.