Amber Sadoor | März 2007
Quelle: www.dertrickser.de
wir waren uns ähnlich. aber gleich waren wir nicht. erst langsam wurde uns dies klar, während wir uns auf dem weg aus dem kindesalter dem tode näherten. doch je klarer unsere unterschiede uns wurden, umso größer wurde der wunsch nach jemandem, der genauso war wie wir selbst. der die gleichen gedanken in sich trug, die selben erfahrungen. dessen traum von der zukunft dem eigenen traum nahe kam. denn allein durch die welt zu gehen war nicht, was wir wollten.
wenn es der wille
des träumers ist
aus seinen träumen
ziele zu machen
so sind seine träume
seine zukunft.
der weg der erkenntnis des getrenntseins war steinig und schmerzhaft. wir hielten uns an oberflächlichkeiten auf, unsere idealbilder von uns selbst waren blond und sportlich, groß gewachsen und mit symmetrischen gesichtszügen. dass unsere haut altern und unsere haare grau werden würden wußte nur, wer hinter die maskerade blickte. der wert des kerns, der sich hinter den rollen verbarg, die wir täglich spielten – diesen wert zu erkennen war unsere aufgabe. doch niemand hatte sie uns gestellt. wir mußten sie selbst herausfinden. erst als wir uns von unseren illusionen trennten, wurden wir frei. und danach wußten wir, daß dies leichter war, als gedacht. denn eigentlich wollen wir alle dasselbe.
es war die zeit, als der mond sich teilte und die menschen sich fragten, was aus ebbe und flut werden würde. mental war der planet unterentwickelt. das netzbewußtsein war noch nicht ausgeprägt, die mechanismen selbsterfüllender prophezeiungen noch unverstanden, die kraft des willens nur eingeweihten bekannt. die individuelle aufmerksamkeitsstreuung war sehr hoch, doch dass der mond sich teilte, kam einem zentrierenden schock gleich, der die dinge dramatisch veränderte.
der alte schamane stand im kreis der heiler und stützte sich auf seinen talking stick.
"manche geschichten erzähle ich voller stolz in der brust. dann denke ich, das sind meine geschichten und niemand anders soll sie besitzen.
dann wieder denke ich, ich möchte sie mit euch teilen, meine geschichten. damit wir alle daraus lernen können. denn wir alle haben ähnliche geschichten zu erzählen."
er erzählte von hawaii, von seinem volk. wie es seine kultur verlor und sich in einer neuen kultur einfand. er erzählte von den tränen der mütter, von den gedanken der väter und von der hilflosigkeit der kinder. er weinte, während er den talking stick in der hand hielt und beendete seine geschichte mit den worten "aber ich weiß, daß unsere erfahrungen sich in euch wiederfinden!"
er gab den talking stick an den nächsten der heiler weiter. der junge stadtschamane stand auf, nahm sich zeit, um den umstehenden tief in die augen zu sehen und sprach mit fester, ruhiger stimme:
"ich sehe einen beginn.
ich sehe den weg.
und langsam
verstehe ich den grund."